Risen [Update]
Risen – das neue Spiel von dem deutschen Entwickerstudio Piranha Bytes, dem (bisherigen) Entwickler der Gothic Reihe (bis Gothic 3) verwircklicht das, was Gothic 3 hätte sein können. Das Einzelspieler Action-Rollenspiel Risen erinnert an die Glanzlichter der Anfänge der Gothic Reihe. Die Welt ist groß, aber noch überschaubar, dynamisch, und vor allem: verdammt überezugend.
Risen, Anfang diesen Oktober erschienen, überzeugt durch die gelungene Graphik, die spielerische Freiheit aber vor allem durch die sehr überzeugende Welt. Dazu trägt nicht nur der Tag-Nacht Zyklus und damit zusammenhängende andere Tätigkeiten und Aufenthaltsorte der NSC bei, sondern auch die realistischen Dialoge. Risen ist kein Spiel schöner Worte, die hartgesottenen Nicht-Spieler-Charaktere, wie der (wieder) namenlose Held auch, verwenden durchaus Schimpfworte und fluchen. Dies nimmt jedoch nicht überhand und wird auch nicht geschmacklos, sondern passt sich in die mittelaterliche Fantasy-Welt ein.
Die Welt
Die mediterane Insel Faranga, auf der Risen ausschließlich spielt, ist im Vergleich zu Gothic 3 extrem begrenzt. Die größe ist in etwa vergleichbar mit der Insel Khorinis Gothic 2 – nicht die einzige Gemeinsamkeit. Die Insel ist von verschiedenen Vegetationszonen bedeckt. Diese reichen von tropischen Palmenwäldern zu Laub und Nadelwädern, Sümpfen und Wiesen. Es gibt eine Hafenstadt, ein Lager der Banditen (im Sumpf) und die Vulkanfeste – Heimstätte der Magier der Heiligen Flamme. Dazwischen liegen immer einige Bauernhöfe, verlassene Häuser und Ruinen. Das Reisen erfolgt zu Fuß, später im Spiel gibt es jedoch, wie bisher in allen Gothic Teilen, Teleportsteine die das Reisen auf der Insel deutlich beschleunigen.
Im Spiel erwerbbare oder gefundene Karten erleichtern die Orientierung, auch Questziele werden mitunter auf diesen Karten eingetragen. Die Welt ist aus einem “Guß”, es gibt keine Pausen durch Ladezeiten (außer bei Transitionen durch Teleportation) – das Spiel lädt selbständig im Hintergrund nach. Dies trägt zur authentizität der Welt bei. Dazu ist die Welt wie auch in den Gothic Spielen offen – das heißt, der Spieler ist nur durch Level eingeschränkt und kann – zumindest theoretisch überall hingehen, wo er möchte. Theorethisch deshalb, da besonders am Anfang des Spiels die Fauna Farangas eine natürliche Barriere darstellt. Um es mit den Worten aus dem Anfang von Gothic I zu sagen: Geh nicht in den Wald!
Dadurch, dass dieWelt von Risen eine Insel ist, bilden sich durch das Wasser unüberwindbare natürliche Grenzen (zumal der Held nicht schwimmen kann). Die Grenzen im Landesinneren sind Felsklippen, die sich nicht erklimmen lassen. Dies wird besser verhindert als noch in den Gothic Spielen, in denen man durchaus eigene, nicht vorgesehene Wege finden konnte. Auch dies trägt zur Schlüssigkeit der Welt bei ebenso wie viele Kleinigkeiten. Viele von den eher dekorativ rumliegenden Gegenständen können mitgenommen werden – in einem fremden Haus sollte man sich nur nicht dabei erwischen lassen. In der Welt sind verschieden Pflanzen (die sogar “nachwachsen”, also nach einiger Zeit wieder erscheinen) verteilt, die es mitzunehmen lohnt – die meisten lassen sich mit Alchemie zu Tränken verarbeiten, können aber auch gegessen werden. An Stränden liegen nicht nur tote Fische, sondern auch angespültes Treibgut und Muscheln – die, wenn man Glück hat eine Perle enthalten. Fisch und Fleisch kann an Feuerstellen oder am Herd gebraten werden – alles Essbare kann man auch essen. Dies gibt Lebensenergie oder Mana zurück. Mit Rezepten und einem Kochlöffel lassen sich an einem Kochtopf auch andere Gerichte zubereiten, die dann deutlich mehr Lebenenergie spenden als ein rohes Kotelet.
Handlung
Die Götter haben die Welt verlassen, die Titanen sind zurück gekehrt. Mit dem Verlassen der Götter, brechen die Ruinen der alten Völker wieder ans Tageslicht und böse Monster brechen daraus hervor. Der namenlose Held landet als Schiffsbrüchiger auf der Insel Faranga und wird in den dort Herrschenden Konflikt hineingezogen. Auf der Insel ist der Inquisitor Mendozza mit seinen Ordenskriegern gelandet und hat die Kontrolle über die Insel übernommen. Die Bewohner wurden zu ihrem Schutz gegen die frei gewordenen Bestien in die Hafenstadt gebracht, die mit einer Ausgangssperre belegt ist. Wer außerhalb der Stadtmauern erwischt wird, wird zwangsrekrutiert. Frei sind noch die Banditen um Don Esteban, die früher die Insel kontrollierten. Dem Spieler bleibt nichts anderes übrig, als sich einer dieser beiden Fraktionen (wobei es in der Vulkanfeste noch die Unterscheidung zwischen Ordenskiregern und Magiern gibt). Diese Entscheidung beeinflußt einen Teil des Spiels, wohl aber nicht den Gesamtverlauf der Handlung. Je nach Fraktion und Entscheidungen in manchen Quests reagieren vereinzelte NSC anders auf den Held.
Der weitere Verlauf der Handlung ähnelt sehr Gothic I und II, bleibt jedoch relativ “dünn”. Das Spiel lebt mehr von den zahlreichen Nebenquests denn der Haupthandlung. Diese ist zwar spannend, aber zu geradlinig und (vor allem für Spieler der Gothic Reihe) zu vorraussehbar. Die Nebenquests hingegen sind ausgefeilt und interessant, wenn auch Quests mit Grundlegend verschiedenen Lösungswegen mangelware sind. Die Handlung vertieft die Geschichte der Insel und der Welt, sowie Religion, Herrschaftsgebiete außerhalb von Faranga und Wirtschaftssysteme zu wenig, ist aber für ein Action-Rollenspiel durchaus bodenständig.
Kampf / Charaktersystem
Das Charaktersystem basiert auf Level und Lernpunkte die der Spieler bei zahlreichen Lehrern in der Welt in Fertigkeiten umtauschen kann. Die Grundattribute Stärke, Geschicklichkeit, Weisheit, Mana und Lebensenergie bilden die Vorraussetzungen um Zauber und Waffen gebrauchen zu können. Weisheit läßt sich im Gegensatz zu Stärke und Geschick nicht trainieren, sonder kann nur durch Lesen von Büchern und Steintafeln erlangt werden. Die Lebensenergie steigt mit dem Level, kann aber durch permanente Tränke gesteigert werden. Als offensive Talente gibt es die Kampftalente Schwert-, Axt- und Stabkampf, Bogen und Armbrust, je ausbaubar in 10 Stufen. Als Magier und Ordenskrieger steht dem Spieler die Verwendung der Magie frei. Dabei gibt es das Magische Geschoß, den Feuerball und die Kältemagie – auch ausbaubar in 10 Stufen – sowie die Runenmagie für “Utility”-Zauber. Diese kann jeder über einmal-Schriftrollen verwenden, Magier können dies jedoch “direkt” von den Runen ohne Schriftrollen zu verbrauchen.
Neben den Kampf-Fertigkeiten gibt es Diebes- und Handwerksfertigkeiten, die einiges an Vielseitigkeit für den Spieler bringen. Als Dieb kann man die Taschen der NSCs ausräumen, Schleichen und Schlößer mit Dietrichen öffnen. Alchemie ermöglicht das herstellen von Tränken, Schmiedekunst das Herstellen von Schwertern (leider etwas Begrenzt) und von magischem Schmuck. Dazu kommen Akrobatik, Schriftrollen anfertigen, Schüfen und Tiere ausweiden.
Das Kampfsystem ist actionreich, relativ komplex und für den Gothic-gewohnten Spieler besonders am Anfang durchaus fordernd. Im Nahkampf genügt es nicht mehr kontinuierlich und schneller zuzuschlagen als der Gegner. Gegner parrieren, verwenden Konterparaden und erkennen typische Verhaltensmuster. Tiere weichen zurück, umkreisen den Spieler und greifen in der Gruppe an. Dies zwingt zum Parrieren, das jedoch im Vergleich zu den Gothic Spielen wenigstens auch praktisch möglich ist. Tiere und Gegener besitzen eine Art “Herdenbewußtsein”, man kann also nicht mehr ohne weiteres einzelne “weg-snipern”, wie das selbst noch in Gothic 3 der Fall war (wenn das Opfer mit einem Schuß zu erledigen war). Die Monster haben alle unterschiedliche Taktiken, es gibt aber keine solch unbesiegbare Gegner wie die Wildschweine aus Gothic 3.
Fernkampfwaffen und Magie werden über ein Fadenkreuz geziehlt und First-Person-Shooter-artig benutzt. Der Schaden hängt dabei von der Waffe, Geschicklichkeit oder Stufe der Magie ab, wie bei Nahkampfwaffen auch. Schlagkombinationen sind durch Angriffe kombiniert mit den Bewegungstasten, sowie Konterparaden möglich. Dadurch erreichen die Kämpfe eine bisher in Gothic-Spielen nie dagewesene taktische Tiefe. Man sollte aber darauf achten sich nie mit mehreren Gegnern anzulegen oder diese in taktisch günstige Positionen zu zwingen. Andersherum ist es natürlich genauso möglich einen Gegner zusammen mit einem NSC zu bearbeiten. Diese Möglichkeit wird immer mal wieder geboten, auch wenn man hauptsächlich allein unterwegs ist.
Graphik
Die Graphik von Risen passt zur Welt, sie ist realistisch, aber nicht Fotorealistisch. Die Proportionen der Charaktere sind passen, die Texturen detailiert. Die Monster und das Weltdesign ist absolut stimmig und lebt von den Stimmungsvollen Lichtherhältnissen in den Außenbereichern. In Höhlen und Ruinen wird die Beleuchtung von Fackeln, Feuern, Lava und leuchtenden Kristallen getragen. Die Schatten sind zwar detailiert, werden aber von der Hauptlichtquelle geworfen (Sonne/Mond). Die Schatten der Bäume (mittels Speedtree) ist sehr detailiert, die Pflanzen bewegen sich im Wind, was sich auch auf die Schatten auswirkt. Wasseroberflächen wirken reasitisch, Gischt spritzt an Felsen und Steilküsten, das Wasser ist jedoch eine ebene Oberfläche, Wellen nur Textur. Die Graphik besticht durch, manchmal etwas übertrieben eingesetzte, Tiefenunschärfe, wodurch die Entfernungen wirklich auch als Solche empfunden werden.
Insgesamt ist die Graphik stimmig, aber sicher nicht das Ultimum was mit derzeitiger Technik möglich ist. Das stört das Spielgefühl jedoch überhaupt nicht. Gerade in der Natur gibt es durch die durch das Blättdach brechende Sonnenstrahlen immer wieder was zu Staunen, vor dem man gern auch das Kämpfen vergißt. Dazu zählt auch der Tag-Nacht-Zyklus der sich deutlich auf die herrschenden Lichtverhältnisse auswirkt sowie gelegentliche Regenschauer und Gewitter. Während in einer Vollmondnacht viel zu erkennen ist, läuft man bei Neumond quasi blind durch die Welt, verwendet man nicht einen Licht-Zauber oder eine Fackel.
Sound [Update]
Nach nochmaligen Durchspielen fällt mir auf, dass ich eines überhaupt nicht erwähnt habe: Die Musik und die Souneffekte. Das liegt daran, dass sich die Musik passend zum Geschehen über das Spiel legt, aber im Vergleich zu Gothic 3 bei weitem nicht so aufdringlich. Die Musik ist zwar weiterhin orchestral, aber deutlich dezenter. Ihr Fehlen merkt man jedoch deutlich. Die Sprecher sind gut ausgewählt und die Vertunung wirkt authentisch und nicht aufgesetzt. Die Anzahl der Sprecher ist jedoch relativ niedrig, so dass man immer wieder NSCs mit der gleichen Stimme begegnet. Dies stört allerdings nicht besonders, da sich die Charaktere genug von einander unterscheiden.
Die Soundeffekte sind passend, wenn auch -gerade beim Hauptcharakter- nicht sehr abwechslungsreich. Die Angriffsschreie klingen immer gleich und könnten ein wenig mehr variation vertragen. Dies stört dennoch den Spielfluß nicht. Die restliche Geräuschkulisse passt wunderbar in die Welt: Vogelgezwitscher in der Wildnis, unheilvolle Geräusche in Höhlen und Ruinen, Gespräche zwischen NSCs in den bewohnten Gebieten – diese variieren leider auch etwas wenig.
Fazit
Risen wäre ein würdiger Vertreter der Gothic Reihe. Positiv ist, dass mir bis auf einen nervigen Bug, keine Fehler aufgefallen sind – weder Handlungslücken noch technische oder grobe balancing Fehler wie Gothic 3 sie hatte. Die Welt ist stimmig, lebendig und wirkt “lebensecht”. Der Humor der Sprecher ist absolut passend eingebracht, wenn der Held in ironischer Art sich über die großartige Belohnung von 30 Goldmünzen freut, Seitenhiebe auf typische Anfängerquests macht oder das typische Verhalten von Questgebern analysiert.
Seltsam fand ich, dass Faranga bis auf gezähmte Tiere keine “friedliche” Fauna hat, und die Fauna nicht auf einander reagiert: Ein Rudel Wölfe ist in Sichtweite eines einzelnen Keilers, macht aber keine Anstalten diesen zu Jagen. Erlegt man den Keiler, kommen die Wölfe aber doch um das Aas zu fressen. Die Fertigkeiten im Taschendiebstahl sind auch erstaunlich. Da ist es sogar Möglich einer Torwache seinen Kampfstab auf den er sich lehnt aus der Hand zu klauen (eben einen Gegenstand aus dem Inventar, dazu gehört der Stab!).
[Update] Im zweiten Spielen sind mir weitere, nicht schlimme, Unstimmigkeiten aufgefallen, deren Behebung die Welt noch echter wirken lassen würde: Es gibt ziemlich viele Äpfel zu finden auf der Insel von Risen – aber keine Apfelbäume. Kommen die alle mit dem Schiff? Bei Weintrauben fragt sich der Held (über den Beschreibungstext im Inventar) wie die wohl auf die Insel gekommen sind. Apfelbäume an denen (pflückbare) Früchte hängen, wären stimmig gewesen. Unangenehmer finde ich, dass der Held zwar Schmieden lernen kann, jedoch nur Schwerter (und Schmuckstücke) herstellen kann. Warum keine Äxte, Hämmer oder Klingenstäbe? Oder Rüstungsteile? Andere Unstimmigkeiten sind die Fehlenden Brauutensilien beim Krautbierbrauer nahe den Banditen. So deteilreich und realistisch die Welt ist, irgendwo zeigt sich doch, dass es sich um ein Computerspiel handelt. Diese “Unstimmigkeiten” trüben den Spielspaß nicht, bringen aber einen kleinen Kratzer in die sonst wunderbar umgesetzte Welt, in der es so viel zu entdecken gibt.
Abgesehen von solchen kleinen Unstimmigkeiten bleibt Risen jedoch überzeugend, macht Spaß (auch mehrfach) durchzuspielen und läßt das Gothic-Spieler Herz höher schlagen. Für Spieler der Gothic Reihe finden sich ein große Menge an bekannten, das mit den Sprechern beginnt und mit der Handlung endet. Deutliche Parallelen zu Gothic II sind unübersehbahr. Dies ist zum einen positiv, da hier die guten Seiten der Gothic Serie bewahrt bleiben, andereseits fehlt Risen die Eigenständigkeit die es von der Gothic-Reihe abheben würde. Für Spieler die bisher die Gothic Reihe nicht gespielt haben, ist Risen der ideale Einstieg, da es die guten Aspekte von Gothic ohne die Gothic-üblichen Bugs präsentiert und insgesamt geschlossen und vor allem fertiggestellt wirkt.
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Quellen
http://de.wikipedia.org/wiki/Risen_%28Computerspiel%29
http://de.wikipedia.org/wiki/Gothic_%28Spieleserie%29
http://risen.deepsilver.com/blog