RPG Highlights – Planescape: Torment
Seit Baldur’s Gate bin ich absoluter Anhänger westlicher Rollenspiele. Als PC Spieler überlasse ich Berichte über die asiatische Konkurrenz unseren Konsolenspezialisten. Planescape: Torment ist das Rollenspiel Highlight der legendären, leider nicht mehr existierenden Black Isle Studios schlechthin, auch wenn es weniger bekannt ist.
Das 1999 erschienene Planescape: Torment reiht sich in die Spielreihen Baldur’s Gate und Icewind Dale ein, mit denen es die Steuerung und die isometrische Ansicht von schräg oben (es basiert auf BioWare’s Infinity Engine – der von Baldur’s Gate) und das Regelsystem gemein hat. Es ist ein PC Rollenspiel, das auf den Regeln von Advanced Dungeons & Dragons basiert. Der Schwerpunkt des Spiels ist im Vergleich zu anderen Spielen dieser Art noch weiter in Richtung Gesprächslastigkeit verschoben. Das Spiel soll wohl über 150.000 Textzeilen umfassen. Viele Quests werden allein durch Gespräche gelöst. Besonderes Merkmal ist der unglaubliche Sarkasmus und schwarzer Humor den das Spiel mitbringt, sowie die absolute Andersartigkeit des Settings.
Den geringen wirtschaftlichen Erfolg und die damit einhergehende geringe Bekanntheit hängt mit dem ungewöhnlichen Szenario zusammen, das selbst für AD&D Spieler schwer zugänglich aber dafür umso genialer ist: Planescape Torment spielt, wie der Name schon sagt, in der AD&D Kampagnenwelt Planescape. Um Planescape zu verstehen, muss etwas weiter ausgeholt werden. Das Multiversum von D&D besteht nicht nur aus einer einfachen materiellen Welt, in der die klassischen Kampagnen (Grayhawk, Dragonlance, Vergessene Reiche, Eberron) spielen, sondern aus einer ganzen Kosmologie verschiedener Ebenen (englisch: Planes). Diese kann man von der materiellen Ebene (die klassische Welt wie die Vergessenen Reiche) als das “Jenseits” betrachten. Es gibt zahllose Ebenen, zu den größten und bekanntesten gehören z.B. die Neun Höllen, der Abyss, Mechanus oder die himmlischen Ebenen. In den Ebenen spielt die Gesinnung (gut, böse, rechtschaffen, chaotisch, neutral) eine erhebliche Rolle. Jede Ebene ist mit einer Gesinnung verbunden und das verschieben der Gesinnung, kann sich auf die Ebene selbst auswirken. Desweiteren sind die Ebenen die Heimat der “Götter” der materiellen Ebene. Auf diesem äußerst komplexen Hintergrund basiert Planescape: Torment.
Das Spiel startet in der Leichenhalle von Sigil (einer Stadt im “Zentrum” das Multiversums). Der Hauptcharakter erwacht ohne Gedächtnis auf einer Leichenbahre. Sein erster Begleiter wird der zynische fliegende Totenschädel Morte. Der Hauptcharakter, “The Nameless One”, ist unsterblich. Er hat seine Sterblichkeit verloren. Das Spiel begleitet den Namenlosen auf seiner Suche nach seiner eigenen Sterblichkeit durch Sigil, durch andere Ebenen unter anderem einer Schicht der Neun Höllen. Dabei kann der Spieler stets über Gespräche und Handlungen Entscheidungen treffen, die sich auf die Gesinnung des Namenlosen auswirken. Dies beeinflußt nicht in dem Maße wie in späteren BioWare spielen das Verhalten anderer Charaktere auf den Hauptcharakter und das Ende des Spiels, war aber immerhin der erste so offensichtliche Ansatz dazu.
Ich will nicht viel über die Handlung verraten, denn sie ist zu spannend, abwechslungsreich und ungewöhnlich, dass es zu schade wäre mehr davon zu verraten. Die NSC Begleiter des Namenlosen sind so unterschiedlich wie die Ebenen selbst. Mit allen Begleitern können lange Gespräche geführt werden, die sich auf die Fertigkeiten des Namenlosen und der Begleiter auswirken können. Dies war ein Novum gegenüber Baldur’s Gate, wo Gespräche mit Begleitern nur gelegentlich vorkamen. Die Kämpfe, die es trotz Gesprächslastigkeit genügend gibt, laufen wie bei Baldur’s Gate und Icewind Dale intern Rundenbasierend ab (die Regeln basieren ja aufh AD&D), an sich jedoch in “Echtzeit” die jederzeit pausiert werden kann. Der Namenlose startet als Kämpfer, man kann jedoch später zum Magier und / oder Dieb umsatteln – und jederzeit, wenn man die Richtigen Begleiter hat, zurück wechseln! Die Charakterstufen aus Kämpfer, Magier oder Dieb lassen sich nicht kombinieren, aber manche Fertigkeiten (wie Trefferpunkte und Attribute) bleiben gleich. Da der Namenlose seine Sterblichkeit verloren hat, wacht er jedesmal wenn er im Kampf fällt erneut auf – solange man in Sigil ist in der Leichenhalle, später an andern Orten.
Das Setting des Spiels ist generell dunkel und grotesk, was mit dem Zusammentreffen der verschiedenen Gesinnungen und dem Einfluß den diese in den Ebenen haben zusammenhängt. Die Konzepte klassischem Fantasy gelten hier nicht. Die 2D Graphik ist im vergleich zu Baldur’s Gate, dessen Engine es verwendet insbeonsere bei den Zaubereffekten deutlich verbessert worden. Die Musikalische Untermalung finde ich eine der Ansprechendsten überhaupt in allen Spielen dieser Art. Die Kreativität und die absolute Andersartigkeit des Settings sind neben der genialen Story und Charakterentwicklung die bisher unerreichte Spitze westlicher PC-Rollenspiele. Durch die Erzählweise und die tiefe der Story sowie die recht große Handlungs- und Entscheidungsfreiheit und die abslute Komplexität der Welt ist Planescape: Torment das PC-Rollenspiel, das einem echten Pen-&-Paper Rollenspiel am Nächsten kommt. Dem Spieler wird einiges abverlangt. Allein die komplexen und langen Gespräche zu lesen ist anstrengend aber extrem Lohnenswert. Wagt man es und taucht vollständig in Planescape: Torment ein, hat man danach ein komplettes Verständis der AD&D Kosmologie – und das besser, eingänglicher und Unterhaltsamer vermittelt als die Bücher über die Kampagnenwelt Planescape es je könnten.