Browserspiele
Browserspiele sind heutzutage, vor allem in Deutschland, ein riesen Geschäft. Die großen Anbieter pumpen fast monatlich neue Spielwelten in den Markt und Spielerzahlen in den Hundertausenden sind keine Seltenheit. Als ich 2001 begann Browserspiele zu spielen, war davon noch keine Rede. Die “Szene” war eine Spielwiese für unterbeschäftigte Informatik-Studenten und die Serverkosten wurden vom Anbieter selbst oder durch Spenden der Spieler getragen.
Worum geht es bei Browserspielen? Die Grundidee war ein Zeitvertreib, für den man nur einen Browser und einen anspruchslosen PC benötigt. Also kein Download eines Clients, keine aufwändige Grafikoberfläche und keine Installation einer Software, so dass man quasi überall spielen konnte, solange man nur Internetzugang hatte (sei es im Büro, in der Schule, in der Uni, selbst im Urlaub). Was dabei herauskam war mehr oder weniger eine spielbare Excel-Tabelle, doch nichtsdestotrotz ein Multiplayerspiel, in dem man mit anderen Spielern interagierte.
Über die genauen Anfänge weiß ich selbst nicht genau Bescheid, im englischsprachigen Raum gab es wohl schon Planetarion, doch in Deutschland wurde das Genre erst mit Galaxywars bekannt. Ich erfuhr davon, als in einem Science Fiction-Forum Interessenten für eine Allianz (Gilde, Clan) gesucht wurden. Ich spielte ein wenig mit, doch wirklich packen konnte mich das ganze nicht. Galaxywars funktionierte im Grunde, wie auch heute noch die meisten Weltraum-Simulationen unter den Browserspielen funktionieren: Man startet auf seinem Heimatplaneten, baut Gebäude, erforscht Technologien, kolonisiert weitere Planeten, baut Raumschiffe und kloppt sich schließlich mit seinen Nachbarn. Und das alles nur in Texten und Zahlen, umrahmt von vereinzelten Grafiken.
Galaxywars war jedoch nicht wirklich ausgereift und hatte viele Bugs, die von den Spielern schamlos ausgenutzt wurden. Erst ein Jahr später warf ich wieder einen Blick in die Szene, in welcher viele der Spieler zu SpaceAssault gewechselt waren, dem “Innovator” der damaligen Zeit. Ich schaut mich dort ein wenig um: Meine alte Allianz war vertreten, beendete jedoch ihre Aktivität, als SpaceAssault ein Bezahlmodell einführte, um die Server und Weiterentwicklungen zu finanzieren. Ich blieb und bezahlte, doch viele andere wechselten zu weiterhin kostenlosen Spielen, die sich damals schon monatlich bildeten. Irgendwann holte mich ein Bekannter, mit dem ich schon zusammen gespielt hatte, zu einer ambitionierten Allianz, die in einer neuen Runde (denn alle paar Monate wurde der Server resettet und eine neue Runde gestartet) als “Schlümpfe” auftraten und mit einem durchdachten System schnell zur besten Allianz des Spiels avancierten: Totaler Kommunismus. Die Spielmechanik ließ es zu, Ressourcen zum selben Preis zu kaufen, wie zu verkaufen. Also schickten unsere Spieler alle ihre geförderten Ressourcen an die speziellen Händleraccounts und bestellten sich in einem externen Handelssystem nur genau die Ressourcen, die sie benötigten. Damit wurde der Ertrag der Allianz effizient genutzt und nichts ging verloren. Jedoch erforderte dies von den Händleraccounts einen großen Arbeitsaufwand und sie benutzten dafür Hilfsmittel, die später von der Administration als unerlaubt bewertet wurden. In kurzer Zeit hatten die “Schlümpfe” sich gegen alle anderen Allianzen im Spiel durchgesetzt, hatten Rekorde gebrochen und waren unangreifbar. Doch schließlich gab die Administration dem Druck der übrigen Spieler nach und warf uns aus dem Spiel.
Früh bemerkte ich, dass mich das Spiel an sich (also das bauen, forschen, kämpfen) eigentlich nicht sonderlich interessierte. Viel interessierter war die simulierte Politik, die Kriege mit und ohne Kriegsgrund zwischen Allianzen, die diplomatischen Beziehungen und die Community als ganzes in Forum und IRC-Chat. Bei den “Schlümpfen” spielte ich einen Account namens “KommunistenSchlumpf”, der mich auf die Idee brachte eine kleine satirische Zeitung zusammenzustellen. Ich nannte sie “Neues Schlumpfhausen”, schrieb einige Artikel, die zu meinem Ingame-Character passten und veröffentlichte das ganze im Forum. Die Reaktion war überwiegend positiv, doch da es Kritik an der “Ideologie” gab, wechselte ich zu einer Parodie der Bild-Zeitung namens “Pilz”. Die PILZ wurde zu einer festen Institution, egal in welchen Spiele und welchen Allianzen ich aktiv war. In mal regelmäßigen, mal weniger regelmäßigen Abständen veröffentlichte ich nun Ausgaben meiner Zeitung, bis zum jetzigen Zeitpunkt 51, alle gesammelt auf www.pilz-media.de.
Die “Schlümpfe” wechselten geschlossen zu dem selbstprogrammierten Spiel eines anderen SpaceAssault-Flüchtlings, das sich noch in einer frühen Phase befand, aber schon spielbar war: Icewars. Das Spielprinzip war im Grunde das selbe wie auch schon zu Galaxywars-Zeiten, doch der Humor von Icewars war eines der herausstechensten Merkmale. Das Logo des Spiels ist ein rosa Hase mit übergroßem Geschlechtsteil und die Ingame-Texte bewegen sich zwischen “Hitchhikers Guide to the Galaxy” und übelstem SciFi-Trash. Unsere Allianz spielte weiterhin ein innovatives System, diesmal ohne Hilfsmittel, jedoch den anderen Allianzen im Spiel überlegen. Die Runde endete mit einem gewaltigen Krieg zwischen 150 Spielern auf Seiten der “Schlümpfe” und ihrer Unterstützer und fast 400 Spielern auf der Gegenseite. Die Allianz spielte eine weitere Runde, diesmal als “Chaoslegionen”, zerstreute sich danach jedoch: Viele begannen “World of Warcraft” zu spielen, einige hörten ganz auf. Auch ich “spielte” nicht mehr wirklich, war jedoch weiterhin in der Community aktiv und veröffentlichte meine Zeitung.
In dieser Zeit änderte sich einiges an “Icewars”: Das Spiel alterte. Von anfangs 6000 Spielern wanderten viele ab und es kamen kaum neue Spieler nach. Das Spenden-Modell zur Finanzierung funktionierte nicht ausreichend und wurde durch ein ins Spiel eingebundenes Unterstützer-System ersetzt. Bezahlte man, bekam man Funktionen freigeschaltet, die nicht spielentscheiden waren, jedoch dem Komfort dienten. Man konnte weiterhin kostenlos spielen, musste dabei aber Werbebanner ertragen. Die Stagnation war dennoch deutlich erkennbar. Die meisten Spieler waren seit Jahren dabei, hatten feststehende Freund- und Feindschaften und sorgten dafür, das jede neue Runde eigentlich genauso ablief wie die vorhergehende. Neue Spieler konnten sich kaum durchsetzen gegen das Netz aus Gefälligkeiten und Klüngelei.
Icewars versuchte vom rasant expandierenden Markt der Browserspiele zu profitieren, veröffentlichte eine englischsprachige Version und ein weniger komplexes Schwesterspiel, durch das neue Spieler gewonnen werden sollten. Doch nichts davon war von sonderlichem Erfolg gekrönt, die Spielerzahl beträgt nur noch etwa 3000 Spieler und nimmt weiter ab. Während anderswo Millionen Euro mit Bezahlspielen und Hundertausenden von Spielern gemacht werden, blieb Icewars “familiär”. Doch mit einer Spielerzahl von nur noch 3000 trägt es sich nicht mehr selbst, die Administration macht Verluste. Trotz einem immer noch treuen Kern der Fangemeinde steht das Spiel an einem Scheidepunkt. Die nächsten Monate werden zeigen, ob es sich noch einmal aufbäumen kann, oder sein Ende findet.
Der Browserspielmarkt ist inzwischen aufgeteilt zwischen Anbietern von einer ganzen Reihe von (meist ziemlich simplen) Bezahlspielen. Auf der Ebene darunter gibt es noch viele “Hobby”-Spiele mit wenigen hundert bis tausend Spielern, die weiterhin kostenlos zu spielen sind, jedoch nur einer eingeweihten Fangemeinde bekannt. Für die “mittleren” Spiele, kostenlos und dennoch mit Tausenden von Spielern, dem ursprünglichen Modell der Browserspiele, ist definitiv kein Platz mehr.
am 13. Januar 2009 um 16:36 Uhr.
Ich würde das ganze nicht so schwarz sehen. Auf dem Browserspiele-Markt ist durchaus Platz für neue Games und damit auch für neue Anbieter.
Es kommt dabei immer verschiedene Punkte an:
1.) Wie aggressiv drängt der Betreiber mit seinem neuen Game in den Markt, wie viel investiert er in Werbung?!
2.) Welches Thema hat das neue Browserspiel? Ist es etwas neues, bisher nicht da gewesenes (wie z.B. SmashDown) dann sind schnell mehr als 50.000 Spieler gefunden.