Cory Doctorow: Little Brother

“Little Brother” ist ein Jugendbuch vom bekannten Blogger und Tech-Guru Cory Doctorow. Er schreibt unter anderem auf www.boingboing.net, einem der bekanntesten Blogs überhaupt, ist aber auch Autor von SciFi-Büchern. Bisher hatte ich noch gar nichts von ihm gelesen, aber da ich immer wieder über “Little Brother” gestolpert bin, habe ich damit begonnen. Und habe es ehrlich gesagt von vorn bis hinten durchgelesen, ohne es wegzulegen.

Das Buch gibt es wie alle Doctorow-Bücher sowohl als normales Buch (bisher nur die US- und UK-Fassung), aber auch als kostenlosen Download in verschiedenen Formaten. Und vor allem hat es Doctorow auch gerne, wenn Fans seine Bücher in ihre jeweiligen Sprachen übersetzen. Deshalb habe ich das Buch kostenlos und auf deutsch gelesen, obwohl es “physisch” noch gar nicht erschienen ist.

Englische Version: http://craphound.com/littlebrother/download/

Deutsche Version: http://cwoehrl.de/?q=node/425

Anfangs ist die Sprache etwas gewöhnungsbedürftig, saloppe Jugendsprache, aber der Inhalt zieht schnell in den Bann. Der Roman handelt von Marcus, einem 17-jährigen Schüler aus San Francisco, der in einer nahen Zukunft einen Terroranschlag miterleben muss und, da er zur falschen Zeit am falschen Ort war, zusammen mit seinen Freunden vom Department of Homeland Security festgenommen wird. Er ist ein Techie und sehr auf den Schutz seiner Privatsphäre und Daten bedacht und wird deshalb vom DHS psychisch gefoltert und auch nach seiner Freilassung verwanzt und überwacht. Das DHS zwingt ihn, seine (illegale) Haft zu verschweigen, doch nachdem als Reaktion auf die Terroranschläge die Überwachung in San Francisco immer groteskere Züge annimmt und alle Einwohner auf Schritt und Tritt überwacht werden, nimmt er den Kampf auf. Er schafft die technischen Grundlagen für ein verstecktes, anonymes Netzwerk und versucht Widerstand zu organisieren.

Doctorow bringt in einer äußerst spannenden und ziemlich radikalen Geschichte dem jugendlichen Publikum Gründe und Methoden für Datenschutz und Privatsphäre nahe und kritisiert den amerikanischen und generell westlichen Überwachungsstaat. Der Roman spielt einige Jahre in der Zukunft, von der uns aber nur noch wenige Schritte trennen. Alles ist RFID-verchippt, die Schüler von Marcus’ Highschool werden mit Bewegungssensoren und Handyortung auf Schritt und Tritt überwacht und im Zuge der “Machtübernahme” durch das Department of Homeland Security wird diese Überwachung auf alle Einwohner von San Francisco ausgeweitet. Doctorow geht so weit, das DHS als “böse” und faschistische Organisation darzustellen, die vor Gewalt gegen die Bürger und dem Aufbau eines geheimen Foltergefängnis in San Francisco (“Gitmo-an-der-Bay”) nicht zurückschreckt. Selbst Waterboarding kommt in einer Szene vor.

Gleichzeitig erwähnt er reale und noch-nicht-existierende Techniken und Verfechter von Datenschutz, wie das TOR-Netzwerk, die schwedische Piratenpartei und eine fiktive, aber als Reaktion auf den Roman inzwischen in Entwicklung befindliche Linux-Distribution namen ParanoidLinux. Auch wenn es ein Jugendbuch ist, kann man es als Erwachsener mit Begeisterung und Interesse lesen. Die Bezüge zu “1984″ sind überdeutlich: Der Orwellsche Überwachungsstaat ist ja inzwischen Wirklichkeit, aber Doctorow zeigt eine positive Vision, in der sich der Kampf für Freiheit und Privatsphäre lohnt.

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